Das Gute in anderen sehen
Die Augen spiegeln das Gute in deiner Seele, so sagt der Mystiker Thomas Merton. Möglicherweise haben Sie selbst schon etwas Ähnliches in anderen Augen entdeckt. Für uns selbst erkennen wir häufig dieses Gute in unserer Seele nicht mehr so klar, zuweilen verschwimmt es, geht unter und wir glauben nicht mehr wirklich an uns selbst. Sehen jedoch andere das Gute in uns und erzählen sie uns davon, dann öffnet sich die Seele wieder und wir finden neuen Zugang.
Überlegen Sie doch einmal, wann Sie das zuletzt erlebt haben. Und wie es sich angefühlt hat.
Eine wahre Geschichte
Dazu erzähle ich Ihnen eine wahre Geschichte, die mich berührt hat und die uns ermutigt auszusprechen, was wir Gutes in anderen Menschen sehen. Es kann Seelen beflügeln.
Es war einmal eine sehr kluge Mathemathik-Lehrerin. An einem Tag hatte sie eine Klasse zu unterrichten, die sehr unruhig und wenig konzentriert war, viele Schüler störten und wenige konnten bei der Sache bleiben. Da entschied sie sich, den jungen Menschen etwas Ungewöhnliches anzubieten:
Die Lehrerin schrieb den Namen jedes Schülers der Klasse an die Tafel, die Schüler schrieben alle Namen untereinander auf ein Blatt Papier. Als dies getan war, bat die Lehrerin ihre Schüler, für jeden Mitschüler eine mit ihm oder ihr verbundene gute Eigenschaft hinter den Namen zu schreiben, etwas das sie bewunderten oder toll fanden; etwas Gutes, das ihrer Meinung nach in dieser Person steckte. Sie sammelte anschließend die Zettel ein.
Am Ende des Schuljahres, bevor es in die Ferien ging, nutzte die Lehrerin die letzte Stunde, um die Ergebnisse mit der Klasse zu teilen. Sie hatte alle Namen und die dahinterstehende Eigenschaft ausgeschnitten und sie sorgfältig auf einen Zettel geklebt, der jetzt den Namen genau dieses Schülers trug. Sie händigte allen „ihren“ Zettel aus und nun konnte jeder schwarz auf weiß 31 seiner guten Eigenschaften lesen, die die Mitschüler in ihm sahen.
Ein paar Jahre später erhielt die Lehrerin einen Anruf von der Mutter eines Schüler aus dieser Klasse. Der junge Mann hatte sich nach dem Schulabschluss zum Militär gemeldet und war im Mittleren Osten im Krieg zu Tode gekommen. Die Lehrerin hatte diesen Schüler sehr gemocht und nahm die Einladung zum Begräbnis gerne an.
Nach der Zeremonie standen die ehemaligen Schüler, die Mutter und die Lehrerin um das Grab und die Mutter sagte zu der Lehrerin: „Ich möchte Ihnen etwas sagen. Als man meinen Sohn fand, trug er nur wenige Sachen bei sich. Eine davon war das hier …“ und sie reichte ihr diesen Zettel, auf dem PAUL stand und auf den 31 kleine Zettelchen geklebt waren, auf jeden eine gute Eigenschaft geschrieben. Offensichtlich war dieser Zettel viele Male auf und wieder zu gefaltet worden, er zeigte Spuren häufigen Gebrauchs. Die Lehrerin war gerührt und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Eine Klassenkameradin von Paul öffnete ihre Handtasche und sagte spontan, sie trage ihren Zettel auch immer bei sich;
und ein anderer junger Mann im Kreis sagte, er habe diesen Zettel auch bei sich – und nach und nach stellt sich heraus, dass diese Sammlung guter Eigenschaften für alle Mitschüler eine große Kraft entwickelt und ihnen geholfen hatte, besser an sich selbst zu glauben.
Es ist etwas Besonderes und etwas Bemerkenswertes, dass wir alle diese Fähigkeit haben, das Gute in anderen Menschen zu erkennen, wenn wir in ihre Seele sehen. Nelson Mandela sagte: „Es ist niemals falsch, das Gute in jemandem zu sehen. Genau das veranlasst sie häufig, deshalb danach zu handeln.“ Es ist kraftvoll und wertvoll, anderen Menschen öfter einmal zu sagen, was wir gut an ihnen finden. Einfach so. Ohne bestimmten Grund. Weil sie dann beginnen, noch mehr an das Gute in sich selbst zu glauben, das sie vorher so nicht gesehen haben. Warum es also nicht einfach öfter tun?
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