Freude – Angst – Trauer – Ekel – Ärger
Nebeneinander oder Durcheinander der Gefühle?
Normalerweise wechseln sich Gefühle situationsangemessen ab. Eines tritt je nach Situation in den Vordergrund, andere bleiben im Hintergrund, wir fühlen uns stimmig. Diese Gefühle sind mit entsprechend angemessenen Gedanken gekoppelt und meist identifizieren wir uns mit beiden. Wir sind in einem geistig ausgeglichenen Zustand von Ruhe und Balance.
Impulse aus dem Umfeld wirken auf unseren Zustand ein, auch ohne dass wir das wollen oder Einfluss nehmen könnten. Diese Impulse werden dann als Trigger bezeichnet, weil sie Gefühle in uns auslösen. Ein paar Beispiele: Fühlen wir uns verletzt, nimmt man uns etwas, das wir lieben, behandelt man uns schlecht, sehen wir etwas Widerwärtiges, hören wir eine Musik oder ein Geräusch, dann kann das jeweils ein Gefühl auslösen, triggert es also (viele andere Beispiele sind hier möglich). Das kann uns dann schon mal glauben machen, wir wären diesen Gefühlen ausgeliefert. Es stimmt, wir können nichts daran ändern, wenn eine Situation eine Gefühlsreaktion in uns auslöst. Das Gefühl selbst ist ja auch nie das Problem, sondern immer erst die Reaktion, die auf ein Gefühl folgt. Und hier haben wir selbstverständlich eine Wahl und nehmen Einfluss.
Welches sind die menschlichen Grundgefühle?
Freude und Lebenslust
– möchten immer Neues lernen, suchen Freude in der Abwechslung, sind neugierig auf das Leben.
Angst
– fühlt sich in der Regel sehr schnell angesprochen und tritt rasch in den Mittelpunkt, ist besorgt und will Sicherheit, erinnert sich an alles Schlechte und fürchtet deshalb auch Unbekanntes.
Traurigkeit
– meldet sich subtil und beschämt, wenn etwas Geliebtes oder angenehmes verloren geht oder Verlust droht, sie bringt die Befürchtung mit, den Dingen nicht mehr gewachsen zu sein.
Ekel
– ist misstrauisch und will uns vor Vergiftung beschützen, sei diese physisch oder sozial bedingt.
Ärger und Wut
– stehen sehr schnell auf der Matte, lassen sich triggern, wenn wir uns (oder andere) unfair behandelt fühlen oder uns etwas überhaupt nicht passt, weil Dinge nicht so laufen, wie wir wollen.
Alle Gefühle inter-kommunizieren miteinander
Die Stabilität des einen ist von der Ausgewogenheit auch der anderen Gefühle abhängig. Kommt eines aus dem Gleichgewicht, sind sehr schnell auch die anderen betroffen und melden sich. Deshalb sehen wir die Welt sehr schnell nicht mehr realistisch, sondern durch den Filter der jeweils vorherrschenden Gefühle:
Geht es uns gut und wir freuen uns, sehen wir optimistisch in die Zukunft.
Sind wir traurig, sehen wir alles pessimistisch und sind auf Enttäuschungen programmiert.
Angst blockiert, verstellt den Blick für unsere Möglichkeiten und Ressourcen.
Ekel lässt uns vorsichtig sein, alarmiert achten wir auf alles Widerwärtige und Anstößige, das für uns schädlich sein könnte.
Ärger und Wut sind stark, wir reagieren heftig und impulsiv und wehren uns gegen alles, was wir als Verletzung oder Ungerechtigkeit erleben und nehmen keine Rücksichten mehr, auch nicht auf unsere eigenen langfristigen Vorhaben.
Veränderung ist schwierig.
Tritt im Leben eine unvorhergesehen Situation ein, dann sind alle Gefühle alarmiert und sensibilisiert. Es entsteht eine Mischung aus Freude und Angst und alle Gefühle wollen bei Entscheidungen und anstehenden Veränderungen ein Wort mitreden. Das kann dann dazu führen, dass zunächst einmal ein lautes Durcheinander im Kopf entsteht, stellt man sich die Gefühle wie kleine Persönlichkeiten in unserem Kopf vor. Doch auf wen sollen wir hören?
– Dieses Szenario wird sehr verständlich dargestellt in dem Film „Inside out“ („Alles steht Kopf“), ein sehr unterhaltsamer Film, der die Gefühlsverwirrung sehr deutlich macht. Nicht alles ist Phantasie, sondern die Personen im Kopf haben einen wissenschaftlichen Hintergrund. Die Fachkompetenz hinter den Filmemachern ist Paul Ekmann, der als Professor der Psychologie an der Universität in San Francisco sein Leben der Gefühls-Forschung und deren Ausdruck gewidmet hat. –
Wie lässt sich Vorsorge treffen, dass das Durcheinander im Kopf nicht zu einem Chaos in unserem Leben führt?
Ganz häufig helfen uns andere sehen uns an, in welche Richtung uns unsere Gefühle gerade treiben und sie stoppen uns. Sei es, dass sie uns ein anderes Gefühl anbieten (verbal oder aktiv), auf das wir eingehen können, sei es, dass es Ihnen gelingt, uns abzulenken oder uns zum Lachen zu bringen – sie sorgen auf ihre Weise dafür, dass wir im entscheidenden Augenblick loslassen und das Gefühl nicht eskaliert. Dann kann sich das Durcheinander zunächst einmal beruhigen. Von einem anderen, bewussten Blickwinkel aus kann dann eine willentliche Steuerung von Gedanken, Gefühlen und Handlungen wieder neu in Angriff genommen werden.
Und oft müssen wir uns selbst helfen. Ist niemand da, der uns helfen kann, dann sind wir im Vorteil, wenn wir unsere Gefühle rechtzeitig bemerken und uns selbst stoppen. Das heißt, wir müssen uns über die Gefühle in dem Moment, in dem sie uns beherrschen, bewusst sein. Dann können wir einen Moment lang innehalten, den inneren Beobachter einschalten und uns deutlich werden lassen, was gerade los ist. In diesem ersten Schritt lassen wir also das Durcheinander zu und erkennen an, dass wir im Moment eben derart gefühlsbelastet und aufgewühlt sind. Was da ist, das ist nun einmal da. Wollen wir zurück zu mehr innerer Übersicht finden, können wir den zweiten Schritt gehen und für eine Minute lang unseren Atem beobachten. Einatmen und Ausatmen. Die Luft an den Nasenflügeln spüren. Das Heben und Senken von Brust und Bauch wahrnehmen, auf das Tempo und den Rhythmus der Atmung achtend. Und dann?
Der dritte Schritt. Nach einer Minute schon merken wir eine kleine Veränderung. Jetzt ist es vielleicht schon möglich, über das Gefühls-Durcheinander hinaus auf unsere Ganzheit zu schauen. Dort sind, wie wir wissen, viele Möglichkeiten, Ressourcen, kreative Ideen und andere hilfreiche Fähigkeiten vorhanden. Lassen wir das in unser Bewusstsein treten und nähren wir das Vertrauen in uns selbst. Wir sind dem gewachsen, was das Leben uns zumutet, weil alles in uns vorhanden ist. Wir sind ganz. Alles ist daraufhin angelegt, das Leben zu meistern. Es gehört der Mut dazu, vorhandene Gefühle zulassend wahrzunehmen, sie in ihrer Existenz anzuerkennen (auch wenn sie uns unliebsam sein mögen) und durch sie hindurchzugehen, damit sich Neues entwickeln kann.
Bei diesem Prozess der Klärung eines aktuellen Durcheinanders im Kopf kann die 3-minute-breathing-space Meditation (nach Jon Kabat Zinn) immer wieder Wunder wirken. Ich habe diese Übung auf deutsch für Sie gesprochen und als Audiodatei auf meiner Website hinterlegt. Dort können Sie sich die Übung anhören, sie durchführen und/oder herunterladen.
Und zum Schluss noch ein Hinweis auf den Atlas der Gefühle von Paul Elkman, der mir sehr gut gefällt. Farblich und optisch ganz wunderbar dargestellt und erklärt sind die menschlichen Grundgefühle in seinem „Atlas of Emotions“, den es leider nur in englischer Sprache gibt, doch selbst das mag unterhaltsam und lehrreich sein, auch wenn man nicht alles so genau versteht. Viel Spaß am Ansehen.
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