Blinde Flecken sichtbar machen und Kontrolle gewinnen
„Auf diesem Auge bist du blind“ – das klingt nicht gerade wie ein Kompliment. Vorschnell werden blinde Flecken als „schlecht“ bewertet, so, als dürfe es diese nicht geben und als müsse man deshalb schnellstens Licht ins Dunkel bringen.
Ist das so? Tun wir anderen einen Gefallen, wenn wir sie auf ihre blinden Flecken aufmerksam machen? Wollen wir von Fremden etwas über unsere eigenen blinden Flecken hören?
Blinde Flecken erkennen
Eins steht fest: Jeder Mensch kann blinde Flecken ausbilden, und zwar immer wieder neue, abhängig von wechselnden Situationen und Gemütsverfassungen. Das Charakteristische dabei ist, dass man selbst gar nicht bemerkt, welche Auswirkung eigenes Verhalten auf andere hat. Die Umwelt jedoch nimmt sensibel wahr, was einem selbst unbewusst bleibt. Zum Beispiel, dass ein so sehr geliebter Hut einen eher lächerlich aussehen lässt, oder dass ein gut gemeinter Rat vom Gegenüber wie eine Bevormundung und Besserwisserei wahrgenommen wird. Die gute Nachricht ist, dass man lernen kann, seine blinden Flecken zu erkennen und sein Verhalten nach und nach zu kontrollieren.
Landläufig geschieht dies wohl häufig durch unangenehme Konfrontationen – wie oben schon angedeutet, kann es sehr unschmeichelhaft sein, mit seiner eigenen Blindheit in aller Öffentlichkeit konfrontiert zu werden. Man beginnt sich zu verteidigen und zu streiten, glaubt nicht, was andere sagen. Denn die Selbstwahrnehmung ist natürlich eine völlig andere als die Fremdwahrnehmung. Besteht jedoch Vertrauen zu einer Person, dann kann eine gute Rückmeldung – rücksichtsvoll und liebevoll ausgesprochen – angenommen werden. Dann kann der Empfänger in Betracht ziehen, dass ihm tatsächlich eine Wirkung seines Verhaltens einfach entgeht. Damit kann das Verhalten aus dem Bereich des Unbewussten heraustreten und kontrolliert werden. Man kann sich entscheiden, ob man etwas verändern möchte oder nicht.
In ihrem letzten Newsletter schreibt Iris Ehrler (Coach und Human Ressource Manager) darüber, wie wir unsere blinden Flecken sichtbar machen können, dass wir sie bezwingen können und schließlich Kontrolle gewinnen. Sie schreibt:
„Andere sehen mich anders als ich mich sehe! Sie sehen mich so, wie ich mich verhalte; nicht so, wie ich bin. Manchmal entscheide ich, was ich anderen zeigen will. … was andere in mir sehen, führt mich zu meinem Potenzial. … Also dankbar sein für den Blick, den andere mir schenken – sie sehen, was mir verborgen bleibt.“
Blinde Flecken – ein Gradmesser für die Qualität einer Beziehung
Für mich ist der Hinweis auf blinde Flecken auch ein Gradmesser für die Qualität einer Beziehung. Wo genug Vertrauen besteht, kann ich es wagen zu fragen, ob der/die andere bereit ist, meine Wahrnehmung (die wahrscheinlich zunächst irritierend sein wird) zu hören und mein Feedback anzunehmen. Es kann zu einem Freundschaftsbeweis werden und zu größerer Nähe führen.
Gebe ich meine Wahrnehmung ungefragt preis, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie vom anderen abgelehnt wird, weil sie als Vorwurf oder Kritik ankommt – und eben nicht als eine konstruktive Rückmeldung angenommen werden kann.
Iris Ehrler stellt am Ende Ihres Newsletters noch ein paar Fragen, die ich gerne an Sie weitergebe:
- Was bleibt (von dem gerade Gelesenen) bei mir hängen?
- Was kommt mir bekannt vor?
- Was löst das bei mir aus?
- Welche Möglichkeiten entstehen dadurch für mich?
Es ist wertvoll, sich über sein Selbstbild Gedanken zu machen und ab und zu andere zu fragen, wie sie einen sehen. Gute Gespräche, Offenheit und Bereitschaft zu Selbsterkenntnis schärfen unsere Sensibilität, wir beobachten uns selbst besser. Schritt für Schritt wachsen wir, lernen uns besser kennen, gewinnen wertvolle Erkenntnisse über uns selbst. Wir verhalten uns gezielter so, wie wir tatsächlich wollen. Um es mit meinem Slogan auszudrücken: Wir werden spontaner, bewusster, selbstbestimmter.
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