Dankbarkeit, Glück und zu viel Gehorsam
Wir lesen es bei den bekanntesten Glücksphilosophen, Motivationstrainern und Zufriedenheits-Experten: Dankbarkeit zu spüren, ist eine wichtige Voraussetzung für dauerhaftes persönliches Glück. Die Wissenschaft der Positiven Psychologie zählt Dankbarkeit zu den Determinanten des Glücks: Wer sich darin übt, lernt den Alltag zu transzendieren und sich glücklich zu fühlen.
Das sind keine hohlen Worte, sondern ihre Gültigkeit ist einfach nachvollziehbar: Sobald Sie etwas Schönes erleben, verbinden Sie sich nur für ein paar Momente bewusst mit einem Gefühl von Dankbarkeit – und Sie werden mit Sicherheit spüren, dass so etwas wie „Glück“ durch Ihren Körper strömt.
„Ich bin dankbar.“
Diesen Satz schreibe ich häufig in mein Affirmationstagebuch und jedes Mal stellt sich ein tragendes, erfüllendes, positives Gefühl ein. Meine Dankbarkeit richtet sich zum Beispiel auf meine Lebensenergie, auf das warme Bett, in dem ich aufwachen darf, auf meine Selbstheilungskräfte und Bewegungsfähigkeit, auf den Sonnenaufgang und die Natur, in der ich leben darf. Ich erlebe Tiefe und Wärme – innere Glücksgefühle.
„Sei dankbar!“
Diese Aufforderung klingt wie eine versteckte Drohung. Anders formuliert: „Sei bloß nicht undankbar, sonst …“ Wer Dankbarkeit mit solchen Worten verbindet, vielleicht sogar noch die dazugehörige Stimme innerlich hört, ist in einer Zwickmühle. Dankbarkeit wird zu einem zweischneidigen Schwert. Anstatt sich mit Glücksgefühlen zu verbinden, passiert das Gegenteil. Es kommen (Gottes?)Furcht und (höllische?) Angst auf, Ehr-Furcht, die ängstlichen Gehorsam einfordert.
Grenzen von Dankbarkeit – ein Beispiel
Mit solch ehrfürchtiger Dankbarkeit ist Helga Maria Schuster aufgewachsen. Sie hat nicht die Grenze kennengelernt, an der Gehorsam verweigert werden darf, weil Wünsche anderer nicht mit der eigenen Würde vereinbar sind. Weil fremde Begehrlichkeiten sie erniedrigen und unter dem Deckmantel eingeforderter Dankbarkeit Unmenschliches, ja Unsittliches verlangt wird. H.M. Schuster konnte sich nicht gestatten, zu widersprechen. Erst spät in ihrem Leben erkennt sie diese Zusammenhänge. Erst spät entwickelt sie den Mut, eigene Bedürfnisse wahrnehmen zu dürfen. Und es dauert noch eine Weile, bis sie sich erlaubt, sich zu widersetzen und ihre eigenen Interessen auch in Wort und Tat wahrzunehmen. Sie kann sich niemandem anvertrauen, außer ihrem Tagebuch. Beim Schreiben schöpft sie Kraft und wird sich ihrer Vergangenheit wie ihrer Gegenwart bewusst.
Das Trauma erlösen
Helga-Maria Schuster schreibt sich von der Seele, was sie empfindet, belastet, erinnert. Sie schreibt über ihre Hilflosigkeit, über das Gedankenkarussell in ihrem Kopf, über aufkeimende Erinnerung und immer wieder über die zwanghafte Geschäftigkeit, mit der sie ihrem Leben ein wenig Struktur und Halt geben kann. Der Titel ihres Buches „Meine kaputte Seele und ich“ lässt nichts vermuten von der Veränderung, zu der sie schließlich doch fähig ist. Er deutet nichts an von der Wut, die ihr die Kraft gegeben hat, sich aus den Klauen ewiger, vermeintlicher Dankbarkeit zu befreien.
Eine verletzte Seele zeigt tiefe Wunden. Doch ist sie nicht zerstört, ist nicht „kaputt“ in einem Sinne von irreparabel. Das Licht der Seele leuchtet im Verborgenen weiter, bis der Mensch sich ihm zuwenden kann und es wieder findet und sich davon erwärmen lässt. Helga Maria Schuster empfindet Dankbarkeit dafür, dass Sie dieses Licht in sich selbst entdeckt hat und ihm mehr und mehr erlauben kann, auch den Rest ihres Lebens zu erhellen.
8 Schlüssel zur Trauma-Bekämpfung
- Lerne Achtsamkeit deinen Gefühlen gegenüber und lerne, deinen Gefühlen zu trauen.
- Du hast überlebt und es bis hierher geschafft! Würdige das Positive in der Gegenwart.
- Sich zu erinnern, ist kein MUSS, du kannst entscheiden.
- Es ist möglich, Flashbacks zu unterbrechen, Gedanken und Gefühlen eine andere Richtung zu geben.
- Versöhnung lernen: Vergebung und Scham
– Vergib dir deine eigenen Begrenzungen, dass du nichts anderes tun konntest.
– Stehe zu deiner Scham, erkenne sie und teile sie mit anderen. - Vorankommen heißt, kleine Schritte zu machen – step by step – mute dir nicht zu viel zu.
- Bewege dich und komme in Schwung! Körperliche und geistige Stärke korrespondieren miteinander.
- Wenn das Leben dir Zitronen schenkt – mach Zitronen-Limonade! Gib deine Erfahrung weiter, hilf anderen, nutze deine negativen Erfahrungen positiv.
(Quelle: Babette Rothschild, 8 keys to safe trauma recovery)
Teufelskreise lassen sich unterbrechen
Was die Autorin schreibt, hat mich betroffen gemacht. Wie leicht ist es doch, ein Kind durch Erziehung einer Art Gehirnwäsche zu unterziehen. Wie leicht ist es, ein Kind sich selbst zu entfremden und glauben zu machen, dass seine eigenen Gefühle falsch sind. Wie leicht ist es, Vertrauen und Urvertrauen zu zerstören. Wer dieses Trauma erlebt, braucht Unterstützung und Hilfe. Er braucht Liebe und Freunde, damit er sich spüren kann und neu lernt, sich wieder selbst zu vertrauen. Kein einfacher, kein schneller, aber ein realistischer und gangbarer Weg. Auch Teufelskreise lassen sich unterbrechen.
Vielleicht kann es helfen, sich in dieser Situation mit Dankbarkeit seinem inneren Mut zuzuwenden und die Entschlossenheit daraus zu entwickeln, sich auf den Weg der Veränderung zu machen.
Kleine, winzige Schritte führen vorwärts. Und für jeden Schritt, den man schließlich geschafft hat, darf man sich selbst dankbar sein. Und dann kann sogar so etwas wie ein Funke inneren Glücks aufkommen.
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