Glück ist ein Gefühl
Meist kommt Glück plötzlich, unerwartet und unvorhergesehen. Wir spüren deutlich, wenn es da ist.
Glück ist ein Gefühl: Deshalb sprechen wir auch von Glücksgefühlen. Diese Glücksgefühle sind erregende, lebhafte Gefühle und Momente.
Sie sind meist überraschend, wohltuend, halten aber nicht sehr lange an. Glücksgefühle sind wie Sternschnuppen. Sie leuchten plötzlich hell auf und verglühen dann schnell in der Atmosphäre.
Diese Momente des Glücksgefühls kann man auch als „Quantenmomente“ bezeichnen. Diese „Quantenmomente“ sind Gipfelerlebnisse, Peak experiences.
Du bist begeistert, du spürst Freude und Liebe, Inspiration und Enthusiasmus. Im Griechischen: entheos-iasmos – der Gott im Inneren.
Oft bleibt dir das Gefühl wirklichen Glücks versagt, auch wenn du haargenau das bekommst, was du dir gewünscht hast. Glück lässt sich nicht einfach einfordern, auch nicht, wenn die Situation günstig erscheint. Glück ist nicht deiner Willkür unterworfen. Du kannst es nur in deinem Inneren entstehen lassen. Aber Glück entsteht nur, wenn du losgelassen hast und empfangsbereit für etwas Neues und Unerwartetes bist. Glück kann dir sehr wohl geschenkt werden, aber du kannst es niemals beanspruchen oder willentlich herbeiführen.
Paul Watzlawick sagt in seinem Buch Anleitung zum Unglücklich sein: „Die effektivste Art, sich unglücklich zu machen, ist Glück zu erwarten.“
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Glück und Emotionen
Glücksgefühle stellen sich also nicht ein, wenn wir sie erwarten oder wenn wir meinen, ein Recht auf sie zu haben, oder weil wir hart für sie gearbeitet haben.
Demgegenüber habe ich immer wieder Glücksgefühle erlebt, wenn ich sie nicht erwartet hatte. Mehrmals während einer Oper in der Arena von Verona. Ich hörte die Musik, eine Arie oder ein Duett und es lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich war tief berührt, begeistert, erregt, spürte Freude und Euphorie. Manchmal war ich so gerührt und berührt, das mir Tränen über das Gesicht liefen. Ich empfand tiefes Glück.
Dies passiert mir auch manchmal im Kino, während eines Konzerts oder wenn ich Musik höre oder einen Film sehe. Im Frühjahr dieses Jahres sah ich den Film „Les miserables“, die Verfilmung der gleichnamigen Novelle von Viktor Hugo und des daraus entstandenen Musicals.
Ich war tief berührt und ergriffen. Die Authentizität der Schauspieler, die die Arien selber sangen, war so echt, dass die gespielten und gesungenen Emotionen direkt auf mich übersprangen und mich tief bewegten.
Es waren die unterschiedlichsten Szenen, die mich emotional berührten und mich zu Tränen rührten: Leid, Gefangenschaft und Entrechtung, Ungerechtigkeit und ausgeliefert sein, Erniedrigung und Demütigung, Armut und Ausweglosigkeit, aber auch Mut, Tapferkeit, Kameradschaft, Liebe, Freude, Mitgefühl, Gnade und Barmherzigkeit, Vergebung, Versöhnung und der Glaube an Gottes Liebe, die Überwindung von Hass und Leid.
Ich hatte das Gefühl, in meiner Seele berührt worden zu sein. Heute empfinde ich es als Glück, dass ich diese unterschiedlichen Gefühle in ihrer Intensität mitempfinden konnte und durfte.
Lass dich berühren
Um Glück empfangen und empfinden zu können, müssen wir uns auch emotional berühren und rühren lassen.
Wer Gefühle unterdrückt und verdrängt, gerade schmerzhafte Gefühle von Leid, Verlust, Traurigkeit, Wut, Zorn u. a. , kann auch keine richtige Freude empfinden und schon gar kein Glück.
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Aber auch, wenn wir kein Glück erzwingen und nicht erarbeiten können, können wir doch etwas dafür tun, dass sich Glücksgefühle und Glücksmomente in unserem Leben häufiger einstellen. Wir können das Glück sozusagen vorbereiten.
Das Glück vorbereiten
Hierzu gehört, dass wir lernen loszulassen, keine Erwartungen mehr zu haben oder zu stellen, weder an uns, noch an andere. Das zweite ist, dass wir lernen, uns selbst zu lieben.
Die Selbstliebe ist die wichtigste Quelle von Glück und Zufriedenheit. Wenn wir diese Quelle zu uns selbst, zu unserem göttlichen Kern finden, öffnen wir unseren Empfangskanal und können Glück empfangen, wenn sich dieses einstellt.
Zum Glücksempfinden gehört auch, dass wir uns in eine positive Resonanz begeben zu den schönen Dingen in der Welt, diese suchen und uns davon mitnehmen und berühren lassen. Von der Natur, von der Kultur, von der Musik, dem Tanz, dem Schauspiel, der Oper, von Büchern, der Malerei und den unterschiedlichsten Formen der verschiedensten Kulturen, Religionen dieser Welt. Hierzu gehört auch die Öffnung zur Spiritualität.
Wenn wir alles negativ sehen, alles kritisieren und in Frage stellen, wenn wir pessimistisch sind, wir nur Negatives oder das Schlimmste erwarten, wird sich kein Glücksgefühl einstellen. Self-fulfilling prophecy! Sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Glück und Zufriedenheit
Eine weitere wichtige Voraussetzung für Glück und Glücksgefühle, ist die Zufriedenheit. Wenn wir nicht mehr von uns erwarten, als das, was wir ohne große Anstrengung leisten können, und nicht mehr vom Leben erwarten, als dieses für uns bereit hält, stellt sich Zufriedenheit ein, vielleicht auch manchmal Glück.
Wir sind in Frieden mit uns und unserer Welt. Dies ist die Voraussetzung für Glück. Vielleicht schon Glück!
Ein Beitrag von Hartmut Kramme (Psychologischer Psychotherapeut) anlässlich der ARD-Themenwoche zum Glück (November 2013)
Liebe Frau Quirmbach, vielen Dank für diesen schönen Beitrag. Das Fazit rundet das Thema schön ab und gibt Hoffnung.