Spiegel und Spiegelungen
„Manche Menschen sind wie ein Spiegel, der uns hilft, in die verborgenen Winkel unserer Seele zu schauen.“
(Unbekannt)
Spiegelungen der Seele
In den letzten Tagen beschäftigt mich der Gedanke, was das eigentlich genau heißt, dass sich unsere Seele in anderen spiegelt. Ich habe viele Fragen, aber keine einfachen Antworten. Ich denke, das entspricht der Tatsache, dass zwischenmenschliches Zusammenleben eben nicht einfach ist, sondern es immer komplexe Antworten gibt.
Vielleicht haben Sie Lust, auch über einige Fragen nachzudenken. Ich schreibe einfach mal auf, was mir jetzt dazu einfällt.
Projizieren wir etwas in andere oder sie in uns? Oder arbeiten nur unsere Spiegelneurone so, wie sie es auch sollen? Wann ist es gut, mitzufühlen und wann lassen wir uns etwas überstülpen oder uns in etwas hineinziehen?
Hassen wir andere wirklich, wenn sie Wesenszüge tragen oder Verhaltensweisen zeigen, die wir an uns selbst ablehnen? Wenn meine Freundin so überpünktlich ist, hasse ich das und regt mich das deshalb so auf, weil ich auf den letzten Drücker bin, auch gerne zu spät komme und das nicht ansehen will?
Dienen wir nicht andererseits auch anderen Menschen als Spiegel? Wenn meine Freundin also gekränkt ist, weil ich unpünktlich bin – liegt es vielleicht daran, dass sie auf einer tieferen Ebene eine alte Kränkung neu erlebt? Dann habe ich nur am Rande etwas damit zu tun.
Konditionierung
Wenn ich das weiterdenke, dann wird auch klar, warum das alles so ist und die gegenseitigen Spiegelungen so zuverlässig funktionieren. Es ist eine Konditionierung, die uns Menschen mitgegeben ist, denn so lernen wir, Gefühle wahrzunehmen. Wenn die Mama lächelt, lächelt das Baby und fühlt sich angenommen. Der Spiegel sagt dem Kind: Die Mama mag dich! So funktioniert das eben, und fortan sehen wir unseren Selbstwert im Verhalten eines Gegenübers. Das gilt auch für den nicht so schönen Fall, dass die Mama die Stirn runzelt und böse guckt. Dann fühlt sich das Kind schlecht, glaubt es wird abgelehnt und nicht geliebt.
Das Baby lernt auf diese Weise sehr viel über die eigenen Gefühle und die Gefühle anderer und damit über das emotionale und soziale Zusammenleben. Später bringt den Kindern meist niemand mehr bei, dass und wie sie lernen können, ihren Selbstwert nicht mehr im Spiegel anderer festzumachen, sondern sich mehr und mehr auf ihre eigenen Gefühle zu verlassen. Diese Unabhängigkeit erlaubt es, im Spiegel der anderen auch in verborgene Winkel seiner Seele zu schauen.
Du bist du. Ich bin ich.
Wenn dich jemand ärgerlich anschreit, weil ihm/ihr nicht passt, was du sagst, denkst oder tust, dann hat das nichts mit dir zu tun. Es ist einfach die Art, wie diese eine Person ihren inneren Stress und Ärger ausdrückt. Du brauchst dich nicht schlecht oder falsch zu fühlen, wie du es damals bei Mama gefühlt hast.
Als Erwachsene können wir lernen, das bei dem anderen zu lassen, was zu dem anderen gehört. Wir haben natürlich unseren Anteil an den Ereignissen, aber nicht daran, wie andere reagieren. Wir haben die Freiheit, die Anteile der anderen mit einer gewissen Distanz zu sehen und müssen uns nicht deren Schuh anziehen. Wir können Abstand von dem Ganzen nehmen und sagen: Das bin ich. Das sind meine Anteile. Und das andere, das bist du. Das sind deine Anteile. Das ist dein Gefühl, deine Erfahrung und deine Art, damit umzugehen, und ich muss nicht das Gleiche wie du fühlen. Ich bin nicht für dich verantwortlich.
Fähigkeiten schulen
Die Fähigkeit, seinen Wert nicht an anderen festzumachen und auch gefühlsmäßige Unabhängigkeit zu erreichen, erfordert Übung und Bewusstheit. Gefühlt verbinde ich das eng mit der Fähigkeit, auch in die verborgenen Winkel der eigenen Seele zu schauen, gerade weil ein anderer Mensch sie uns spiegelt. Und das erfordert Reife, Ehrlichkeit und Mut. Ich denke, es lohnt sich, sich auf diesen Weg zu machen.
In diesem Sinne – bleiben Sie bei sich und werden Sie zum Spiegel für andere, während sie selbst in diesen Spiegel der anderen mutig hineinsehen.
Herzlichsten Glückwunsch zum 10-Jährigen Newsletter. Ich freu mich jeden Monat darauf – auch wenn ich ihn nicht immer gleich lese, aber ich möchte ihn auf keinen Fall missen ;-). Herzlichsten Dank für die Mühe, Impulse und Herzlichkeit die in jedem einzelnen Newletter immer wieder auf`s Neue enthalten sind. Es ist spürbar, dass Du echte Freude damit verbindest und dies damit auch mit uns allen teilst.
Wieviele Jahre ich deinen Newsletter nun schon bekomme, könnte ich garnicht zu 100% sagen – aber es sind schon ganz viele Jahre :-).
Ich freu mich wirklich Dich „gefunden“ zu haben und übrigens freue ich mich auch schon sehr auf den jährlich so spannenden und liebevoll erstelleten Adventskalender von Dir :-).
Herzlichst, Karolin